Bundesgericht: Erhalt des «Landihauses» in Illnau trotz entgegenstehendem Volksentscheid

Anlässlich der Volksabstimmung vom 29. November 2020 nahm die Stimmbevölkerung der Gemeinde Illnau-Effretikon die kommunale Volksinitiative «Attraktives Dorfzentrum Illnau» an. Die Stimmbevölkerung sprach sich mit der Annahme dafür aus, in Illnau einen erweiterten Dorfplatz im Bereich der Liegenschaft Usterstrasse 23 und hierzu den Abbruch des Gebäudes Usterstrasse 23 (nachfolgend: Gebäude) sowie einen Ersatzneubau auf der Parzelle der benachbarten Liegenschaft Usterstrasse 25 zu realisieren. Das abzureissende Gebäude stand zum Zeitpunkt der Abstimmung im Eigentum der politischen Gemeinde Illnau-Effretikon und war im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung verzeichnet. Im Anschluss an die Volksabstimmung entliess der Stadtrat das Gebäude zur Realisierung des Vorhabens «Attraktives Dorfzentrum Illnau» mit Beschluss aus dem kommunalen Inventar schützenswerter Objekte.

Gegen den Beschluss des Stadtrates legte der Zürcher Heimatschutz (ZVH) Rekurs ein. Das Baurekursgericht hob den Beschluss daraufhin auf und lud den Stadtrat ein, das Gebäude unter Schutz zu stellen. Nachdem das Verwaltungsgericht das Rechtsmittel der Stadt Illnau-Effretikon gegen den Entscheid des Baurekursgerichts abgewiesen hatte, gelangte die Stadt Illnau-Effretikon mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. In ihrer Beschwerde beantragte die Stadt Illnau-Effretikon (nachfolgend: Beschwerdeführerin) die vollumfängliche Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Bestätigung des Stadtratsbeschlusses; eventualiter beantragte sie, das angefochtene Urteil sei insofern aufzuheben, als festzustellen sei, dass derzeit keine Unterschutzstellung des Gebäudes erforderlich sei. Die Beschwerdeführerin rügte im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Gemeindeautonomie (Art. 50 Abs. 1 BV) sowie des Willkürverbots (Art. 9 BV).

Als Schutzobjekte gelten im Kanton Zürich Ortskerne, Quartiere, Strassen und Plätze, Gebäudegruppen, Gebäude und Teile sowie Zugehör von solchen, die als wichtige Zeugen einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder baukünstlerischen Epoche erhaltenswürdig sind oder die Landschaften oder Siedlungen wesentlich mitprägen, samt der für ihre Wirkung wesentlichen Umgebung (§ 203 Abs. 1 lit. c PBG-ZH). Über die Schutzobjekte erstellen die für Schutzmassnahmen zuständigen Behörden Inventare (Abs. 2). Hoheitsträger haben in ihrer Tätigkeit dafür zu sorgen, dass Schutzobjekte geschont und, wo das öffentliche Interesse an diesen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben (§ 204 Abs. 1 PBG-ZH). Bei schutzwürdigen und inventarisierten Objekten ist zur Beurteilung der Anordnung von Schutzmassnahmen somit stets eine Abwägung zwischen den Schutzinteressen und den entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Interessen vorzunehmen.

Eine solche Interessenabwägung nahm der Stadtrat in seinem Beschluss vor, wobei er insbesondere auf die Volksabstimmung vom 29. November 2020 abstellte: Der Entscheid der Stimmbevölkerung für die Inventarentlassung bzw. den Abbruch des Gebäudes zugunsten eines möglichst grossen und attraktiven Dorfzentrums überwog für den Stadtrat die anerkanntermassen mittlere bis hohe Schutzwürdigkeit des Gebäudes.

Während das Bundesgericht der Beschwerdeführerin zwar darin zustimmte, dass der Umsetzung einer von der Stimmbevölkerung angenommenen Volksinitiative ein gewisses öffentliches Interesse beizumessen ist, erkannte es, dass ein demokratisch legitimiertes öffentliches Interesse die Interessenabwägung nicht vorwegnehmen könne. Es könne nicht darauf ankommen, was die Stimmbevölkerung als verhältnismässig erachte. Die Verhältnismässigkeit sei vielmehr durch die mit der Frage der Unterschutzstellung befassten Behörde und die Gerichte in freier Gewichtung und Abwägung der bestehenden öffentlichen und privaten Interessen zu prüfen.

Das Bundesgericht erwog zudem, aus der Annahme der Volksinitiative könne zwar geschlossen werde, dass ein gewisses öffentliches Interesse an einem grossen, möglichst durchgehenden Dorfplatz bestehe. Dazu, dass sich dieses öffentliche Interesse nicht auch mit dem Erhalt des Gebäudes vereinbaren liesse, könne mangels einer zur Abstimmung vorgelegten entsprechenden Variante allerdings keine Aussage getroffen werden. Das Abstimmungsergebnis sage nichts über die Notwendigkeit des Abbruchs des Gebäudes aus. Im Übrigen habe auch die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt, weshalb der Abbruch des Gebäudes für eine befriedigende Dorfplatzgestaltung zwingend notwendig sei. Angesichts dessen mass das Bundesgericht, wie bereits die Vorinstanz, der mit der Volksabstimmung angenommenen Dorfplatzgestaltung allerhöchstens ein geringfügiges bis mittelgewichtiges Interesse bei, welches das Interesse an der Erhaltung des Gebäudes nicht überwiege.

Bei einer durch Private angestossenen Schutzabklärung (sog. Provokationsbegehren; vgl. § 213 PBG-ZH) resultiert entweder die Unterschutzstellung oder die Inventarentlassung des betreffenden Gebäudes. Die Beschwerdeführerin machte geltend, der Selbstbindung nach § 204 PBG-ZH zu unterliegen und damit der Wahrung der Schutzinteressen verpflichtet zu sein, weshalb eine formelle Unterschutzstellung eines ihrer Gebäude nicht gerechtfertigt sei. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass besondere Schutzanordnungen (vgl. § 205 ff. PBG-ZH) für Grundstücke der unter § 204 PBG-ZH fallenden Eigentümer:innen nicht von vornherein überflüssig und unzulässig seien. Eine Schutzanordnung kann gemäss Bundesgericht beispielsweise dann erwünscht sein, wenn für ein Bauvorhaben Gewissheit über den Schutzumfang geschaffen werden soll, wie das vorliegend der Fall war.

Im Ergebnis wies das Bundesgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Die eingehende Urteilsbegründung finden Sie hier.