Von Bauprojekten und Schmetterlingen

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hatte sich in einem vor wenigen Tagen publizierten Urteil im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baubewilligung für ein Bauprojekt in Zumikon (unter anderem) mit schutzwürdigen Lebensräumen und Schmetterlingen zu befassen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Mai 2022 erteilte der Gemeinderat Zumikon die baurechtliche Bewilligung für den Neubau von drei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage auf einem Grundstück in Zumikon. Gleichzeitig eröffnete er der Bauherrschaft die im koordinierten Verfahren ergangene Bewilligung der Baudirektion des Kantons Zürich bezüglich Lage im Gewässerraum sowie in der Freihaltezone. Dagegen erhob ein Nachbar Rekurs, in dem er das Vorhandensein eines Naturschutzobjektes im Sinne von § 203 Abs. 1 lit. f und g PBG geltend machte und eine fehlende Interessenabwägung der Gemeinde monierte. Zur Begründung legte er eine von ihm in Auftrag gegebene «Situationsanalyse» vor, wonach ein Mosaik von Gehölzen und artenreichen Wiesen (Halbtrockenrasen und Fromentalwiesen) sowie die vorhandenen Strukturen (Trockenmauern oder Asthaufen) das Baugrundstück zu einem geeigneten Lebensraum für eine Vielfalt von Tieren und Pflanzen machen würden, weshalb der Garten als Lebensraum vermutlich als schutzwürdig im Sinne von Art. 18 Abs. 1 bis NHG zu betrachten sei (vgl. E. 4).  

Mit Entscheid vom 22. November 2022 hiess das Baurekursgericht des Kantons Zürich den Rekurs gut und hob den gemeinderätlichen Beschluss auf. Dies mit der Begründung, dass auf dem Baugrundstück konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Biotops vorlägen bzw. solche vom rekurrierenden Nachbarn aufgezeigt worden seien. Diese Vermutung sei vor Erteilung der Baubewilligung erstinstanzlich durch den Gemeinderat in einem ordentlichen Verfahren zur Prüfung der Schutzwürdigkeit, insbesondere unter Einholung eines amtlichen Gutachtens, zu verifizieren oder zu widerlegen. 

Gegen das Urteil des Baurekursgerichts erhob die Bauherrschaft Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. In seinem Urteil kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass die Anordnung des Baurekursgerichts zur Abklärung der Schutzwürdigkeit durch die Gemeinde vor Erteilung der Baubewilligung nicht zu beanstanden sei und die sich dagegen erhobenen Rügen als unberechtigt erwiesen. Dies begründete das Verwaltungsgericht (zusammengefasst) wie folgt:

Der bundesrechtliche und der kantonale Biotopschutz (Art. 18 Abs. 1 NHG und § 203 Abs. 1 PBG) verlange, dass unter Abwägung der betroffenen Interessen möglichst alle schützenswerten Biotope zu schützen seien. Lasse sich eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Lebensräume durch technische Eingriffe unter Abwägung aller Interessen nicht vermeiden, so habe der Verursacher für besondere Massnahmen zu deren bestmöglichem Schutz, für Wiederherstellung oder ansonsten für angemessenen Ersatz zu sorgen (Art. 18 Abs. 1ter NHG)Welche Biotope als «schützenswert» gelten würden, sei anhand der in Art. 14 Abs. 3 lit. a-e NHG aufgeführten Kriterien zu bestimmen. Massgebend für die Bewertung seien demnach die in Anhang 1 NHV aufgeführten schützenswerten Lebensraumtypen, die nach den Anhängen 2 und 3 NHV geschützten Pflanzen und Tieren einschliesslich der gemäss Anhang 4 NHV kantonal geschützten Arten, die vom BAFU erlassenen oder anerkannten Roten Listen gefährdeter oder seltener Pflanzen- und Tierarten sowie etwa Mobilitätsansprüche der Arten oder Vernetzung ihrer Vorkommen (vgl. E. 3). 

Die fachmännische Nennung von schützenswerten Lebensraumtypen gemäss Anhang 1 NHV bzw. von gemäss der im Auftrag des BAFU erstellten Roten Liste der gefährdeten Lebensräume von 2016 mit als verletzlich bezeichneten Lebensräumen habe für die Begründung der behaupteten Schutzwürdigkeitsvermutung als ausreichend zu gelten. Dies mit Blick darauf, dass die bezüglich potentieller Heimatschutzobjekte entwickelte Rechtsprechung, wonach sich ein Nachbar nicht damit begnügen dürfe, die Schutzwürdigkeit der angrenzenden Baute bloss zu behaupten, sondern diese anhand konkreter Anhaltspunkte aufzuzeigen habe, aufgrund der identischen Rechtsgrundlagen auch für Naturschutzobjekte gelten müsse (E. 5.1). 

Vorliegend bestünden konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Biotops auf dem Baugrundstück. Aus dem Umstand, dass kein Inventareintrag oder Vermerk im Richtplan bestehe, könne nicht von vornherein auf das Fehlen eines Biotops geschlossen werden. Eine allenfalls unzulässige Beeinträchtigung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 und Abs. 1 bis NHG könne – wenn eine Anordnung noch nicht erfolgt, unterblieben oder ungenügend sei – auch noch im Baubewilligungsverfahren geprüft werden. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Lebensraumpotenziale für Feuchtgebietsergänzungen bzw. Magerwiesen, welche gemäss GIS-Browser im Süden und Osten in das Baugrundstück hineinragten, über die Freihaltezone hinaus auf den bisher unbebauten Bereich in der Bauzone ausgedehnt hätten bzw., dass sich darauf im Laufe der Zeit schutzwürdige Lebensräume (Halbtrockenrasen und Fromentalwiesen) gebildet haben könnten. Dass die vom Baurekursgericht anlässlich des Augenscheins festgestellten Vögel und Schmetterlinge an sich nichts über das Vorliegen schutzwürdiger Verhältnisse aussagen würden, treffe zwar zu, stelle indes deren mögliches Vorhandensein nicht in Frage. Schliesslich sei die Vorinstanz an keiner Stelle davon ausgegangen, dass die Bauherrschaft oder die Baubehörde die fehlende Schutzwürdigkeit des Gartens aufzeigen müsste, sondern habe vielmehr zu Recht ausreichende Anhaltspunkte festgestellt, welche Abklärungen erforderlich machte. Die Verpflichtung des Gemeinwesens hierzu ergebe sich denn auch aus dessen Selbstbindung nach § 204 PBG sowie Art. 1 KNHV, welche ohne förmliche Unterschutzstellung oder Aufnahme in ein Inventar bestehe (vgl. E. 5.2 und 5.3).