Bundesgericht: Neuer Leitentscheid zum Bauhandwerkerpfandrecht

In seinem am 22. Mai 2023 veröffentlichten und zur Publikation vorgesehenen Leitentscheid zum Bauhandwerkerpfandrecht (BGer 5A_689/2022 vom 6. April 2023) präzisiert das Bundesgericht die Rechtsprechung zu Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB.

Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB hat ein Handwerker oder Unternehmer Anspruch auf Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts, wenn er auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert hat. 

Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob ein Unternehmen, das die Baustelle belieferte und dann mit Schutt abfuhr bzw. wartete, bis die Mulden zur Abholung bereit standen, «Arbeiten» im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ausführte und damit zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes berechtigt war. 

Das Bundesgericht wie auch schon die kantonalen Vorinstanzen verneinten diese Frage und zwar mit folgender Begründung: 

Unter Bezugnahme auf die herrschende Lehre, führte das Bundesgericht aus (siehe E. 5.2.5), dass die «Arbeiten» im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB folgende drei Merkmale aufweisen müssen:

  • Es muss sich um typische Bau- oder Abbrucharbeiten handeln; 
  • Es muss sich um physische, manuelle oder maschinelle Arbeiten handeln, intellektuelle Arbeitsleistungen sind ausgeschlossen; und
  • die Arbeiten müssen zwar nicht dauerhaft in das Bauwerk als solches integriert oder mit ihm verbunden werden, aber sie müssen objektspezifisch sein, d.h. einen direkten und unmittelbaren funktionellen Zusammenhang mit der individuellen Herstellung des Bauwerks aufweisen und als solche schwer oder gar nicht wiederverwendbar sein.
 

Damit ändert das Bundesgericht die in BGE 136 III 6 geäusserte Ansicht, wonach sämtliche Arbeiten an einem Grundstück unter die «Arbeiten» im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB fallen (siehe E. 5.2.3). 

Das Bundesgericht führte weiter aus (siehe E. 5.2.6), dass die Leistungen für den Abtransport und die Entsorgung von Erdaushub oder Bauschutt grundsätzlich nicht zur Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts berechtigen, ausser sie bilden eine funktionelle Einheit mit den von demselben Unternehmen für die Errichtung des Bauwerks ausgeführten Arbeiten. 

Im vorliegenden Fall handle es sich gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts (siehe E. 6.1) genau um solche Transportleistungen, die nicht als typische Bau- oder Abbrucharbeiten qualifiziert werden können und deshalb die Voraussetzungen von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nicht erfüllen. Auch das Vorliegen einer funktionellen Einheit wurde vom Bundesgericht verneint (siehe E. 6.2).