Bundesgericht: Beurteilung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung anhand der konkreten, beabsichtigten Nutzung auf dem Grundstück

In dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Urteil 1C_446/2022 befasste sich das Bundesgericht mit den Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung zur  Errichtung oder Änderung von Bauten und Anlagen.  

Streitgegenstand bildete unter anderem eine Baubewilligung, die für ein Bauprojekt erteilt worden war, welches den Bau einer neuen Erschliessungsanlage im Hinblick auf die Realisierung eines neuen Hightech-Produktionsbetriebs umfasste. Einige Nachbarn fochten die Baubewilligung an und machten im bundesgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen geltend, die Baubewilligung könne nicht erteilt werden, da die zukünftige Nutzung des Baugrundstücks nicht bekannt sei.

Das Bundesgericht rief zunächst in Erinnerung, dass sich die Baubewilligungspflicht nach Art. 22 Abs. 1 RPG richte und demnach Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden dürften. Voraussetzung einer Bewilligung sei, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entspreche und das Land erschlossen sei. Land sei erschlossen, wenn unter anderem eine für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt bestehe (vgl. Art. 19 Abs. 1 RPG). Mit Blick auf die vorgesehene künftige Nutzung sei die Erschliessung einer Bauparzelle genügend, wenn sie technisch und rechtlich ausreiche, um den anfallenden Verkehr zu bewältigen. Erforderlich sei auch, dass die Sicherheit der Benutzerinnen und Benutzer auf der ganzen Länge der Strasse gewährleistet und der Belag adäquat zur Art der Fahrzeuge sei sowie eine genügende Sicht und Kreuzungsmöglichkeiten bestünden. Was als hinreichende Zufahrt gelte, hänge namentlich von der beanspruchten Nutzung des Grundstücks sowie den massgeblichen örtlichen Umständen des Einzelfalls ab, bei deren Beurteilung den kantonalen und kommunalen Behörden ein erhebliches Ermessen zustehe (E. 4).

Vorliegend hatte die Baugesuchstellerin die zukünftige Nutzung des Baugrundstücks weder im Baugesuch noch im weiteren Verlauf des Verfahrens angegeben. Da die zukünftige Nutzung nicht bekannt gewesen war, hatte sich die Vorinstanz zur Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens auf die ursprünglich bewilligte Tätigkeit auf dem Baugrundstück (Stahlhandel und Stahlverarbeitung) gestützt. Die Vorinstanz hatte dabei angenommen, dass es sich um eine bewilligte Nutzung handle und deshalb das Bauvorhaben – ungeachtet der künftigen, allenfalls noch zu bewilligenden Nutzung – keinen Mehrverkehr verursache. Das Bundesgericht merkte an, dass diese Argumentation in Anbetracht der Faktenlage nicht verfange. So habe die Baugesuchstellerin weder im Vorfeld noch während des Verfahrens vor Bundesgericht die Absicht geäussert, den Stahlhandel- und Stahlverarbeitungsbetrieb weiterzuführen bzw. wieder aufzunehmen. Vielmehr habe sie das Baugrundstück seit dessen Kauf im Jahr 2006 zu rein logistischen Zwecken genutzt. Für die Abklärung der Bewilligungsfähigkeit des Baugesuchs könne nicht von einer Nutzung ausgegangen werden, die gar nicht beabsichtigt sei. Schlussfolgernd hielt das Bundesgericht fest, dass ohne Kenntnis der Nutzung insbesondere die Beurteilung, ob die Verkehrssicherheit gewährleistet und damit das Land hinreichend erschlossen sei, nicht vorgenommen werden könne (E. 5.2).

Weiter sei ohne Kenntnis der zukünftigen Nutzung des Baugrundstücks auch die Prüfung der Einhaltung der Lärmgrenze nicht möglich. Bezüglich des Bauvorhabens auf dem Baugrundstück sei davon auszugehen, dass es sich aufgrund der erheblichen Änderung der Bausubstanz (Ersatz der Gebäudehüllen der Gewerbe- und Lagergebäude, Errichtung einer Versickerungsanlage, Verlängerung der Arealerschliessung inkl. Versickerungsbecken und Neubau einer Trafoanlage) sowie der hohen Baukosten (CHF 4’800’000) um eine wesentliche Änderung einer ortsfesten Anlage im Sinne von Art. 8 LSV handle, weshalb die Lärmimmissionen der gesamten Anlage mindestens so weit begrenzt werden müssten, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten würden. Ob dies der Fall sei, könne wiederum nur dann beurteilt werden, wenn eine zukünftige Nutzung bekannt sei (E. 5.3).

Zusammenfassend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung nach Art. 22 RPG anhand einer konkreten, beabsichtigten Nutzung auf dem Baugrundstück beurteilt werden müssten. Indem die Vorinstanz dies unterlassen habe, habe sie Bundesrecht verletzt (E. 5.4). Demzufolge hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, hob das vorinstanzliche Urteil auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die zuständige Gemeinde zurück.