In einem kürzlich publizierten Urteil vom 12. Mai 2023 befasste sich das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit der Ansetzung der Profillinie bei der sog. «Käseglockenpraxis». In diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren war die Frage strittig, ob bei der Anwendung der «Käseglockenpraxis» die Trauf- und Giebelseiten frei gewählt werden können oder ob diese an gewisse Voraussetzungen gebunden sind.
Streitbetroffen war die Errichtung eines neuen Einfamilienhauses mit einem Erdgeschoss, einem Dachgeschoss, einem teilweise unter Terrain liegenden weiteren Wohngeschoss, der darunterliegenden Tiefgarage sowie Infrastruktur und Technikräumen auf einem Grundstück in Meilen. Die Baubehörde Meilen erteilte die Baubewilligung für diesen Neubau im Mai 2020 unter teilweiser Neudisposition der Garage. Nach einem von einer Drittperson anhängig gemachten Rechtsmittelverfahren und einer Rückweisung des Verwaltungsgerichts Zürich hob das Baurekursgericht Zürich den Entscheid der Baubehörde Meilen auf. Hiergegen erhob die Bauherrschaft Beschwerde beim Verwaltungsgericht Zürich und beantragte zur Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Bestätigung der baurechtlichen Bewilligung.
Die Beschwerdeführer rügten unter anderem, die Vorinstanz habe unzulässigerweise auf die Rechtsprechung zu § 292 lit. b des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich (PBG ZH) abgestellt. Die Gemeinde Meilen habe sich für die «Käseglockenpraxis» entschieden, weshalb Attikageschosse nicht als solche erkennbar sein müssten, da es keine Rollen spielen könne, ob das oberste Geschoss ein Dach- oder Vollgeschoss sei. Daher könne die «Käseglockenprofillinie» frei angesetzt werden, unabhängig davon, welche Seite des Gebäudes als Trauf- und welche als Giebelseite gelte.
Das Verwaltungsgericht hielt (unter Verweis auf § 278 Abs. 1 PBG ZH der bis 28. Februar 2017 in Kraft stehenden Fassung) fest, dass sich die zulässige Gebäudehöhe normalerweise durch die erlaubte Vollgeschosszahl und, sofern die Bau- und Zonenordnung es nicht ausschliesse, durch die Verkehrsbaulinie bestimmt werde. Enthalte eine Bau- und Zonenordnung hingegen keine Geschosszahlvorschriften, seien in Bezug auf die Ausdehnung nach oben ausschliesslich die Gebäude- und Firsthöhen massgebend. Diesfalls könnten Bauten innerhalb dieses (für Bauten mit Satteldach) vorgegebenen Profils grundsätzlich frei gestaltet werden. Innerhalb dieses Profils werde keine Gebäudehöhe gemessen. Damit könne das oberste Geschoss auch ein Vollgeschoss sein (E. 4.3).
Weiter erwog das Bundesgericht, dass in Bezug auf die Ansetzung der Profillinie bei der «Käseglockenpraxis» die Rechtsprechung zu § 292 lit. b PBG ZH (wiederum in der bis 28. Februar 2017 in Kraft stehenden Fassung) nicht unbesehen übernommen werden könne. Gemäss dieser Bestimmung habe die Profilansetzung so zu erfolgen, wie wenn beim betreffenden Gebäude effektiv ein Schrägdach erstellt würde. Dabei verlaufe im Regelfall der Dachfirst eines Schrägdaches parallel zur Gebäudelängsseite. Die Annahme eines Schrägdachs mit einem First quer zur Gebäudelängsseite (also im «Chaletstil») sei hingegen nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig (E. 4.4). Zwar werde sowohl bei der Käseglocke als auch für den Fall, dass Flachdachbauten über ein Attikageschoss verfügten, welches ein hypothetisches Schrägdachprofil einhalten müsse, ein hypothetisches Schrägdach mit hypothetischer Firstrichtung bzw. hypothetischer Trauf- und Giebelseite gesetzt, doch bestünden dabei die folgenden Unterschiede:
Bei der Bestimmung von § 292 lit. b PBG ZH handle es sich um eine Ästhetikvorschrift. Die strenge Handhabung der Firstrichtung diene dazu, eine Aushöhlung der Grundregel von § 292 lit. b PBG ZH zu vermeiden. Denn Dachgeschosse sollten noch als solche erkennbar sein und dürften nicht den Eindruck eines Vollgeschoss vermitteln. Demgegenüber lägen der «Käseglockenpraxis» keine ästhetischen Überlegungen zugrunde und spiele es bei der Käseglocke gerade keine Rolle, wie das oberste Geschoss ausgestaltet sei und ob es ein Dach- oder Vollgeschoss darstelle. Das Käseglockenprofil bilde vielmehr die maximal mögliche Ausdehnung eines Gebäudes in Bezug auf die Gebäudehöhe ab, was zur Folge habe, dass die Rechtsprechung zu § 292 lit. b PBG ZH vorliegend nicht anwendbar sei. Die Ansetzung der Profillinie der Käseglocke könne daher grundsätzlich frei gewählt werden, sofern nicht beispielsweise eine Firstrichtungsbestimmung in der jeweiligen Bau- und Zonenordnung oder ein Verstoss gegen § 238 PBG ZH vorliege (E. 4.5). Da dies nicht der Fall war, kam das Verwaltungsgericht Zürich zum Schluss, dass die Bauherrschaft in Bezug auf die Gebäudehöhe die Profillinie der Käseglocke frei wählen durfte und die Gebäudehöhe mit der gewählten Profillinie eingehalten war. Demzufolge hob das Gericht den Entscheid des Baurekursgerichts Zürich auf und bestätigte die Baubewilligung der Gemeinde Meilen.