Im Urteil 5A_100/2020 vom 15. August 2023 (ital., zur Publikation vorgesehen) hat sich das Bundesgericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob für die Abänderung eines Verwaltungs- und Benutzungsreglements einer Stockwerkeigentümergemeinschaft – im Verwaltungs- und Benutzungsreglement selber – ein strengeres als das gesetzlich vorgesehene Quorum (Art. 712g Abs. 3 ZGB) vorgesehen werden kann. Es hat die Frage im Grundsatz bejaht.
Gemäss Art. 712g Abs. 3 ZGB kann jeder Stockwerkeigentümer verlangen, dass ein Reglement über die Verwaltung und Benutzung (nachfolgend «Reglement» genannt) aufgestellt wird. Das Reglement bedarf zu seiner Verbindlichkeit eines Beschlusses mit einer Mehrheit nach Personen und Wertquoten. Das Bundesgericht führt aus, dass aus den unterschiedlichen Lehrmeinungen und aus der Botschaft des Bundesrates hervorgehe, dass das gesetzliche qualifizierte Mehr nach Art. 712g Abs. 3 ZGB (Mehrheit der Stockwerkeigentümer, die zugleich auch die Mehrheit der Wertquoten vertritt) zwei Funktionen habe: Einerseits soll die Regelung von Art. 712g Abs. 3 ZGB die Minderheit der Miteigentümer davor schützen, dass ihnen eine Änderung des Reglements einfach aufgezwungen werde. Andererseits soll die Regelung verhindern, dass ein Stockwerkeigentümer oder eine Minderheit von Stockwerkeigentümern einen solchen Einfluss ausübe, dass er oder sie eine Änderung des Reglements blockiere. Solange diese beiden Funktionen gewährleistet seien, sei es folglich nicht gerechtfertigt, die Möglichkeit zu verweigern, ein Mehrheitserfordernis, auch allgemeiner Art, vorzusehen, das strenger sei als das in Art. 712g Abs. 3 ZGB festgehaltene. Je nach konkreter Konstellation sei daher das Erfordernis einer Mehrheit von z.B. drei Fünfteln oder zwei Dritteln als grundsätzlich zulässig anzusehen, nicht aber die Einstimmigkeit.
In dem vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall sah Art. 29 des Reglements der betroffenen Stockwerkeigentümergemeinschaft vor, dass dieses nur mit einer Zweidrittelsmehrheit aller Stockwerkeigentümer angepasst werden kann. Das Bundesgericht erachtete Art. 29 des Reglements als zulässig. In seiner Begründung führte das Bundesgericht aus, dass eine Verschärfung des Mehrheitserfordernisses eher im Interesse der Minderheit der Stockwerkeigentümer sei. Gemäss Art. 29 des Reglements brauche es die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, um eine Änderung des Reglements zu erreichen. Damit könne der Beschwerdeführerin – selbst unter Berücksichtigung des Unterschieds zwischen dem Wert ihres Anteils (330/1000) und dem der anderen 36 Stockwerkeigentümer (die jeweils zwischen 8/1000 und 39/1000 betragen) – immer noch keine Änderung des Reglements durch eine geringe Anzahl von Anteilen aufgezwungen werden.
Im Sinne eines Fazits kann also festgehalten werden, dass strengere als die in Art. 712g Abs. 3 ZGB festgehaltene Quoren für die Abänderung eines Stockwerkeigentümerreglements zulässig sein können. Aus dem Entscheid geht aber auch hervor, dass strengere Quoren nicht per se zulässig sind, sondern nur dann, wenn der Minderheitenschutz gewährleistet ist. Dieser darf aber nicht so stark ausgestaltet sein, dass ein einzelner Stockwerkeigentümer oder eine Minderheit eine Änderung des Reglements blockieren können.