Bundesgericht: Bejahung der Abtretbarkeit eines (altrechtlichen) Vorkaufsrechts

Streitgegenstand des zur Publikation vorgesehenen Entscheid des Bundesgerichts (4A_145/2023) war ein Vorkaufsrecht aus dem Jahr 1985. Die Eigentümerin des Grundstücks xxx verkaufte ihr Grundstück, wobei sie den davon abparzellierten Teil yyy für sich behielt. Verkäuferin (Eigentümerin von yyy) und Käuferin (Eigentümerin von xxx) vereinbarten gleichzeitig ein gegenseitiges Vorkaufsrecht für 30 Jahre.

In der Folge vererbte die Verkäuferin ihr Grundstück yyy an ihre zwei Töchter (die Beschwerdeführerinnen bzw. die Beschwerdeführerin, weil eine der beiden zwischenzeitlich verstarb). Die Käuferin von xxx trat dasselbe im Jahr 2011 mit einem «Abtretungsvertrag auf Rechnung künftiger Erbschaft» an ihre beiden Söhne (die Beschwerdegegner) ab. Als die Erbinnen der Verkäuferin ihr Grundstück im Jahr 2013 an eine GmbH veräusserten, übten die beiden Söhne der Käuferin das Vorkaufsrecht aus und reichten Klage wegen Verletzung des Vorkaufsrechts ein.

Die nachfolgende Zusammenfassung beschränkt sich auf die Fragen bzgl. Vorkaufsrecht, ohne die umfangreiche Verfahrensgeschichte und weitere Ausführungen zu einzelnen Rügen wiederzugeben:

Umstritten war, ob das 1985 begründete Vorkaufsrecht am Grundstück yyy der Käuferin an ihre beiden Söhne abgetreten werden konnte, obwohl die Parteien die Abtretbarkeit des Vorkaufsrechts bei dessen Begründung nicht ausdrücklich vereinbart hätten.

Die Abtretbarkeit von vertraglichen Vorkaufsrechten an Grundstücken ist in Art. 216b OR geregelt. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung sind solche Vorkaufsrechte nicht abtretbar, sofern nichts anderes vereinbart ist. Diese Bestimmung ist seit 1. Januar 1994 in Kraft, weshalb vorliegend die Frage der Abtretbarkeit nach der davor geltenden Rechtslage zu beantworten war. Das frühere Gesetzesrecht (aArt 681 ZGB) befasste sich einzig mit den im Grundbuch vorgemerkten Vorkaufsrechten. Die Abtretbarkeit von vertraglichen Vorkaufsrechten war gesetzlich nicht geregelt. Die Vorinstanz kam zum Ergebnis, dass das (altrechtlich begründete) Vorkaufsrecht im Allgemeinen vermutungsweise nicht abtretbar sei, sich die Abtretbarkeit indes «aus dem Willen der Parteien oder aus den besonderen Umständen des Einzelfalls» ergeben könne. Im vorliegenden Fall würden solche besonderen Umstände vorliegen:

Das Vorkaufsrecht habe nicht nur für die unmittelbar am Vertrag Beteiligten gegolten. Die Verkäuferin sei beim Vertragsabschluss schon 81 Jahre alt gewesen, weshalb von Anfang an evident gewesen sei, dass auf ihrer Seite während der Dauer des Vorkaufsrechts der Erbfall eintreten werde. Beim Abschluss des Vertrags von 1985 habe niemand an die Eventualität gedacht, dass eines der Grundstücke dereinst statt im Todesfall vererbt, zu Lebzeiten auf Anrechnung künftiger Erbschaft an die mutmasslichen Erben übertragen werden könne, wie dies dann zwischen der Käuferin und ihren Söhnen tatsächlich geschehen sei. Dieser subjektive Wille lasse sich gestützt auf die Akten erstellen. Vertragliche Vorkaufsrechte seien nach damaliger Rechtslage aber ohne Weiteres vererblich gewesen. Aufgrund dieser besonderen Umstände des Einzelfalls sei von der Abtretbarkeit des Vorkaufsrechts auszugehen. Diese Überlegungen der Vorinstanz stützte das Bundesgericht und wies die Beschwerde der Nachkommen der Verkäuferin ab (vgl. E. 5).

Weiter strittig war der Verkehrswert des Grundstücks. Dieser war zur Schadensersatzberechnung heranzuziehen und wurde durch ein Gutachten bestimmt. Obwohl das Bundesgericht auf die Kritik am Gutachten nicht (mehr) einging, da die Mängel bereits vor den kantonalen Instanzen gerügt und keine Willkür geltend gemacht wurde, hielt es klärend fest: Die Verkehrswertschätzung eines Grundstücks sei naturgemäss eine Ermessensfrage. Ihr Resultat könne nicht nach objektiven Kriterien als richtig oder falsch bewertet werden. Das Gericht solle nicht sein Wissen über das Fachwissen von Experten stellen. Im Allgemeinen dürfe sich ein Gericht auf die Prüfung formeller Fragen, etwa das Vorhandensein von Ausstandsgründen beim Experten oder von offensichtlichen Widersprüchen in der Expertise beschränken. Wenn die Vorinstanz auf das Gutachten abgestellt habe, sei dies nicht zu beanstanden (vgl. E. 6).